Frederik Foert /Berlin

Out where the buses don´t run

Vermeintlich besinnliche Vorweihnachtszeit, Minusgrade und der unerbittlich beißende Berliner Winterwind, der durch die Straßen fegt, bilden die Kulisse meines Aufenthalts.
Die Erlebnisse bzw. Ergebnisse meiner Tage in der Berliner Gropiusstadt gründen sich weniger auf der Tatsache vor Ort zu sein, sondern vielmehr darauf woanders nicht zu sein.
In der Ruhe und Abgeschiedenheit einer anonymen Hochhauswohnung ergriff eine eher unterbewußte Form von Heim- und Fernweh Besitz von mir. Die besten Träume hat man in fremden Betten, und so begab ich mich des nächtens auf Reisen.


...Ein grauer kalter Morgen in meiner Friedrichshainer Wohnung, der Kaffee ist alle und das Toastbrot verschimmelt, Frühstück ade! Im Briefkasten finde ich neben den üblichen Rechnungen einen dickeren Umschlag eines italienischen Absenders. Luigi, ein offensichtlich steinreicher venezianischer Sammler, schreibt mir, er habe irgendwo einige meiner Arbeiten gesehen, sei sehr interessiert und würde mich und meine Arbeiten gerne persönlich kennen lernen. Anbei ein Flugticket nach Venedig sowie eine mysteriöse Wegbeschreibung zu seinem Palazzo außerhalb der Stadt. Es bleibt wenig Zeit zu überlegen, und so packe ich meine sieben Sachen und mache mich auf zum Flughafen, der sich erstaunlicherweise gleich um die Ecke in einem Hinterhof an der Warschauerstraße befindet. In Ermangelung einer Startbahn werden hier die Flugzeuge mittels Gummizug in den Himmel katapultiert. Die Jets verfügen über keine Passagierkabine, sondern die Fluggäste hängen eingeschnürt in schaukelähnlichen Gebilden unter den Tragflächen. Erstmals zweifle ich an der Seriosität meiner neuen italienischen Freunde. Der Flug verzögert sich ausnahmsweise nicht wegen streikender Italiener, sondern weil der Flugplatz Warschauerstraße heute Morgen an ein Filmteam vermietet ist, das zu meiner Beruhigung einige pyrotechnische Aufnahmen an der Startrampe aufzeichnet. Nach einer Stunde ist alles einmal abgefackelt, und wir werden in Startposition gebracht. Das Flugzeug wird im hohen Bogen in den Himmel geschossen, bevor es über der Oberbaumbrücke absackt und sich kurz vor den Dächern Kreuzbergs endlich fängt, nachdem ich mit meinen Füßen schon die dortigen Dachrinnen streifen konnte. Der weitere Flug verläuft ohne Komplikationen. In Venedig angekommen begebe ich mich auf die Suche nach einem chinesischen Restaurant in einem Pagodenpavillon, der sich mitten in der Stadt befinden soll, den jedoch niemand zu kennen scheint. Bis ich fündig werde irre ich den ganzen Nachmittag zu Lande und zu Wasser durch die Lagunenstadt. Im chinesischen Restaurant werde ich sofort erkannt und über einen unterirdischen Gang in den Palazzo Luigis geführt. Hier empfängt mich zunächst ein junger Mann, der wohl der Sohn meines Gönners ist. In einer Art Wintergarten werden Aperitifs gereicht, und auch Luigi heißt mich nun willkommen. Er schwärmt mir von gesehenen Arbeiten vor, von denen ich mir nicht mehr so sicher bin, ob sie wirklich von mir sind. Ich lasse ihn aber erst mal reden. Allmählich wird es Zeit fürs Abendessen, der freundlichen Einladung wegen biete ich an, für die ganze Gesellschaft zu kochen. Szenenwechsel - ein prächtiges Esszimmer, an einem großen ovalen Tisch sitzen etwa 12 mir unbekannte Personen. Alle Augen sind auf mich gerichtet, ein Blick auf meinen Teller verrät mir warum. Zu meinem eigenen Erstaunen muss ich feststellen, dass ich ausgerechnet rohes Hähnchenfilet mit Balsamico-Essig kredenzt habe. Soviel zu meiner künstlerischen Karriere, meinem ersten großen Sammler hänge ich gleich Salmonellen an. Der Druck wächst, und ich fühle mich gezwungen, den Anfang zu machen und nehme den ersten Bissen. Rohes Hähnchenfilet schmeckt grauenhaft, und nur ein Wunder kann mich noch retten. Doch der deus ex machina in Form des Butlers lässt mich nicht im Stich. Es wird für einige Zeit schwarz – Stromausfall. Als das Licht wieder angeht sind sämtliche Teller leer, man geht sofort zum Espresso über und verliert kein Wort über diesen Vorfall. Etwas hungrig aber gut gelaunt begeben wir uns wieder in den Wintergarten. Leider habe ich sämtliches Dokumentationsmaterial zu Hause vergessen, so dass ich nichts zu zeigen habe. Dieser Umstand scheint Luigi jedoch in keinster Weise zu stören. Er beschließt, künftig all meine Werke zu kaufen, sogar die Skizzenbücher, wie er betont. Etwas verwirrt aber zufrieden mache ich mich auf die Heimreise und beschließe, in Zukunft Skizzenbücher zu führen...

Dieser Traum der ersten Nacht in Gropiusstadt bildet den Startschuss zur Serie Skizzenbücher für Luigi, an der ich derzeit arbeite.

Nach meinem Aufenthalt in Gropiusstadt steht zu Hause erst mal eine Ladung Wäsche ins Haus. Beim Aufhängen meiner rund 100 Paar schwarzer Socken muß ich an Hitchcock denken. Die Vögel, Krähen auf einem Klettergerüst, die ständig mehr werden, während nichts ahnend im Vordergrund Tippi Hedren eine Zigarette raucht. Ich beschließe, hierzu einen einfachen Videotrickfilm zu produzieren.