Marion Niessing und Jaroslaw Wójcik /Münster, Warschau

„Weihnachtsabendessen”

In uns tragen wir ein Kulturerbe, das wir ständig zu bestätigen suchen. Im leeren Innenraum einer Wohnung in der Gropius-Stadt fand ich mich mit Fragen wieder, auf die ich keine Antwort erhielt. Mir schien, dass das Wiederholen eines Rituals mich der Umgebung näher bringt, etwas erklärt, aber es geschah nichts.

Die Beleuchtung der Weihnachtsdekoration ruft hinter dem Fenster der leeren Berliner Wohnung Gedanken an das Neonlicht in Las Vegas wach. Las Vegas, Tokio, Paris, Berlin, Warschau – das gleiche Neonlicht. Grell und unpersönlich, eine Attrappe der ästhetischen Bedürfnisse des Menschen im 21. Jahrhundert in der Weihnachtszeit. Das Fenster mit einem Papiervorhang verklebend, erwecke ich den Eindruck von Leere und nicht zu ertragender Raum-Ästhetik und von klaustrophobischem, gefängnisähnlichem Raum.

Während ich in diesen Vorhang auf eine rituelle Art und Weise Löcher hineinschneide, drücke ich das uralte Bedürfnis nach dem Streben zu einem offenen Raum und Licht aus. Aber hinter dem Papierparavent gibt es weder natürliches Licht noch natürliche Dunkelheit.

Dort ist die Stadt mit weihnachtlicher Neonbeleuchtung – das unpersönliche Berliner Las Vegas. Aus dem Traum von der gefängnisähnlichen, ästhetischen Leere des Zimmers, in dem ein rituelles Weihnachtsmahl eines einsamen Menschen stattfinden wird, gelangen wir durch die sich vergrößernden Löcher zu einem Traum der Fiktion von Kunstlichtern. Auf beiden Seiten des Vorhangs herrscht die Konvention, die auf das Niveau eines Brauches erhoben wird. Sowohl hier als auch dort ist rituelle zivilisierte Künstlichkeit.

Beeinflusst von der Propaganda des "American way of life" lassen wir uns von der Überzeugung verführen, dass wir den weihnachtlichen Karpfen „mit unseren eigenen Händen fangen müssen“.

- Wenn du nicht hungrig sein möchtest, dann ist das dein Problem, alles muss man aus eigener Kraft erreichen.
- Deshalb schneide ich den weihnachtlichen Karpfen eigenhändig aus dem Papier aus.

Das ist das Zelebrieren von Illusionen und Täuschungen darüber, dass wir das Schicksal beherrschen. Die Naivität beruht in dem Glauben, dass klar und eindeutig ausgedrückte Postulate ein Mittel sind, ein Leben unabhängig von der Umgebung zu führen.

Das Negativ der Leere der Papierwand, aus der ein Papierfisch geschnitten wird, impliziert die verschiedensten Bedeutungen, aber in diesem Fall drängen sich als erstes Gedanken an die altchristlichen Fische auf, die eine symbolische Gemeinschaft kennzeichnen.
Jetzt bleibt uns nur ein rituelles Mahl, und so essen wir das Negativ des Lichts und lösen es somit aus der Papierwand heraus.
Alles ist Konvention, es hat keine Bedeutung, was wir essen oder was und wie wir spielen.

Text: Jaroslaw Wójcik

contact: Marion Niessing & Jaroslaw Wojcik

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