Jürgen Rinck /Zweibrücken

Die Aktion "Call My Streetname" ist ein weit angelegtes Projekt: der Versuch, Städte, bzw. Stadtteile anhand ihrer Straßennamen zu kategorisieren. Über die eigentliche Namensgebung hinaus, welche von Stadt zu Stadt unterschiedliche Muster erkennen lässt, ergibt sich ein Grundschema, welches für alle Ansiedlungen, egal ob groß oder klein, gilt: In Baugebieten werden die Straßen nach Themen organisiert. So hat fast jede Stadt ein "Dichter- und Denker-Viertel". In Neubaugebieten werden die Straßen oft nach der heimischen Flora und Vogelwelt benannt.

Meine Fotosession in der Gropiusstadt geriet zu einer En-Passant-Aktion im öffentlichen Raum. Ein Streifzug durch knapp 40 Jahre Stadtgeschichte. Aus Sicht des Straßennamensammlers ist die Gropiusstadt ein bildhübsches Beispiel politischer und kultureller Sedimentation. Waren nach 1945 nur der Wildmeisterdamm und einige, den Namen des Zielorts der Straße tragende Straßen auf der Landkarte verzeichnet, so sollte sich dies schon bald ändern. Mit ersten Landkäufen durch die GEHAG wurde nicht nur der Grundstein für die Gropiusstadt gelegt, sondern auch der Raum für eine neue Deutung des Gebietes erschlossen. Besonders auffällig ist der Teil der Gropiusstadt, welcher sich thematisch mit dem Widerstand gegen das NS-Regime beschäftigt. Politiker und Dissidenten sind Namensgeber für Straßen wie Fritz-Erler-Allee, Anna-Nemitz-Weg und Anna-Siemsen-Weg. Die Künstlerwohnung liegt im Sollmanweg, benannt nach dem ehemaligen Reichsinnenminister und späteren Nazi-Widerstandskämpfer Wilhelm Sollmann.
Einen zweiten Schwerpunkt der Namensgebung bilden die Künste, vor allem die Schauspielerei (Käthe Dorsch, Horst Casper).

Die Fotoaktion, welche mich bei Wind und Wetter im Zick-Zack durch den Dschungel einer Vorstadt führte, die größer ist, als meine Heimatstadt Zweibrücken, provozierte bei den Bewohnern die verschiedensten Reaktionen. Von "Was macht der denn da?" über ehrliches Interesse bis hin zur Hilfsbereitschaft wie es sie wohl nur unter Fotografen gibt: "Na denn schließe ich ihnen mal das Haus 110 auf, da können se bis janz nach Oben. Jut fotografieren ...".
Auch das Rätsel der Straßen (in Rudow), die nur Nummern statt Namen haben, wurde gelöst: "Da hatten sie wohl keinen Namen mehr übrig, deshalb haben wir nur die Nummer aus dem Bebauungsplan gekriegt."

Web-Links:
Gropiusstadt-Bildtafeln: http://europenner.de/fototour/grp1.html
Berliner Straßennamen und deren Herkunft: http://www.luise-berlin.de/strassen/