Claudia Schömig/Berlin
1. Nacht
20 min im Schneetreiben nach Imbiss gesucht – schließlich einen
gefunden.
Ab 23 Uhr ist es stockfinster im Hochhaus gegenüber.
2. Tag
Elfenbeinturm: Wind und Weckerticken, keine Nachbargeräusche. Das Steig-
und Fall-Spiel der Elstern in unermüdlicher Wiederholung auf Breitleinwand.
Krame in der Bude herum, schaue, was ich da so finde und starte ein paar Arbeiten.
3. Tag
Gropiuspassagen – Schock:
Die Dunkelheit bricht an, nach Eremitentum drängt die lästige Sorge
um Nahrungsfragen. Der Edeka schließt vor der Nase, Gehsteige sind ab
18 Uhr hochgeklappt. Nicht schon wieder der Imbiss, also noch mal mit der U-Bahn
eine Station weiter bis zur "Shopping Mall":
Wirrnis schießt um mich her, tausend Elefanten wollen gleichzeitig durchs
selbe Nadelöhr. Rumpele beinah mit bestimmt 20 Leuten zusammen während
der kurzen Zeit, vergesse alle fünf Minuten, was ich denn nun brauche,
und sehe 3.000 T-Shirts und Armbanduhren zuviel, die ich gar nicht sehen wollte.
Wo Pizza-Hut schon Oaseneindruck macht, braucht man über den Rest dieses
logistischen Ungetüms nicht mehr viel zu sagen.
Im Taumel taste ich mich zurück zur U-Bahn und kann nach der Rückfahrt
nicht umhin, ob des Anblicks "meines" GEHAG-Turms erleichtert aufzuschnaufen.
Nest, berge mich und richte meine abstehenden Federn wieder gerade.
4. Tag
Wetter weiterhin zum Daheimbleiben, also klebe ich dicht am regenbeperlten Fenster
bei Tee und Wolkenbetrachtung.
5. Tag
An diesem ersten sonnigen Morgen seit 4 Tagen bekomme ich Hunger auf Medien.
Ich schalte das Radio ein und erfahre, dass ein Müllfahrzeug einen Bus
der Länge nach aufgeschlitzt hat, wobei 3 Menschen gestorben sind, außerdem
hat sich ein 57-jähriger... ich schalte das Radio wieder aus.
Heute könnte es endlich etwas werden mit den Fotos im Außenraum.
Kaum hab ich die Kamerasachen gepackt, geht das mit dem Schneesturm wieder los.
6. Tag
Leider ist meine Körnerzeichnung nichts geworden, eine Anordnung von 3
Vogelsymbolen aus Vogelfutter auf dem Schneefeld gegenüber, denn die fatalen
Ladenschlusszeiten hier – Samstags bis 14 Uhr – haben mir einen
Strich durch die Rechnung gemacht.
Meine eine Packung reicht gerade mal für ein paar dünne Striche, die
ich noch dazu von oben nicht fotografieren kann, weil sie durch die Bäume
verdeckt werden.
Besuch bringt mir drei Primeln mit. Dabei sind sie bei jedem besser aufgehoben
als bei mir. Am nächsten Tag setze ich jeweils immer eine im Fahrstuhl
aus. Ein paar mal kommen sie noch mit hochgefahren, dann sind sie endlich untergebracht.
Morgen reise ich ab. Komisches Gefühl, Restberlin. Wird mir zu belebt sein, schätze ich.