Patrick Borchers /Dortmund
Vom Nullpunkt und Polieren
Als Zeichner wollte
ich in der Gropiusstadt zeichnen.
Losgehen und Finden sei dazu das richtige Mittel, dachte ich mir.
Nur merkte ich schnell: Es ist zu kalt zum umherschlendernden Suchen und Zeichnen,
Mitte Dezember in Berlin.
Der Prozess musste also irgendwie beschleunigt werden – und zwar mit dem
Auto.
Ich musste jetzt nur noch das zufällige Finden von Orten, Situationen und
Gegenständen unter Kontrolle bekommen, und es könnte losgehen.
Dazu recherchierte ich auf einer Übersichtskarte, wo sich das Gropiushaus
in der Gropiusstadt genau befindet und wie groß der Radius bis zu den
Ortsgrenzen ungefähr ist.
Ich befand, 1500 Meter seien eine sichere Sache.
Also fuhr ich mein Auto unmittelbar vor das Haus, positionierte es dort am entsprechend
definierten Nullpunkt, von dem ich jeden Tag aufs Neue 1500 Meter spontan getrieben
durch den Ort fuhr. Zeigte der Tachometer „1500“, musste ich anhalten
und mich mit dem so „gefundenen“ Ort zeichnerisch (aus dem Auto
heraus) auseinander setzen.
Nicht immer waren es die günstigsten Orte...
Entstanden ist eine Reihe von fragmentarischen und assoziativen Zeichnungen.
Dienstag
11.25 min/ Stereo/ Farbe/ DV- PAL
1500mzeichnungen
Graphitstift/ Tipex-Roller/ Radiergummi auf Zeichenpapier
16 x 29,7x 41,9cm
Und ich wollte in der Gropiusstadt filmen.
Der Balkon der Wohnung im 12. Stock mit Blick auf die Parkanlage und die umliegenden
Häuser und Wohnungen erschien mir bestens geeignet als Beobachtungsposten.
An einem strahlend sonnigen Tag, ich wollte gerade meinen Posten verlassen,
um zeichnen zu fahren, hatte ich den Eindruck, aus dem gegenüberliegenden
Haus winke mir jemand freundlich zu. Als ich genauer hinsah, sah ich, dass ein
korrekt in Hemd und Krawatte gekleideter Herr begonnen hatte, seine Balkonfenster
zu polieren. Ich begann zu filmen.
Einen Moment später kam eine Frau hinzu, und sie polierten gemeinsam. Akribisch
genau und ebenso lange, fast wie choreografisch aufeinander abgestimmt.
Als die Scheiben für gründlich poliert befunden waren, wurden schwere
Häkelgardinen und weitere lichtundurchlässige Vorhänge zugezogen,
und mich überkam das Gefühl, dass man mich zu Beginn der Sequenz gar
nicht so willkommen geheißen hatte, wie ich zunächst annahm...
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