Christiane ten Hoevel & Doris Sprengel /Köln,Berlin

Das erste, was uns faszinierte, waren die vielen Menschen/Geschichten, die in Gropiusstadt leben. Sichtbar wurde das für uns an den über 150 Namensschildern der Briefkästen im Eingangsflur des Hauses der artist-in-residence-Wohnung. Die Flure selbst blieben leer. Wir begannen, die Personen zu den Namen und ihre Lebenszusammenhänge zu erfinden. Daraus entstand eine Serie mit Bild-Namenskombinationen, die wir in das Forschungsgebiet der Namensaquarellistik einbetteten. Zum Abschluss unserer Forschungstätigkeit luden wir die Hausbewohner zum Bilder gucken und diskutieren ein. Wir gaben eine thematische Einführung, aus der im folgenden Auszüge zu lesen sind:

Die Namensaquarellistik ist ein Teilgebiet der Onomastik, was so viel wie Namensforschung bedeutet. Diese Teildisziplin beschreibt die spezifischen Eigenschaften der Familiennamen und ihren Zusammenhang zur Aquarellistik, eine der ältesten Maltechniken überhaupt. (...) Schon früh begann man, Namen kunstvoll darzustellen.(...) Die Vielfalt der Namen konnte in der Neuzeit nur durch den kunstvollen Umgang mit unterschiedlichen Techniken dargestellt werden, wobei die Namensaquarellistik zu den bedeutendsten Errungenschaften auf diesem Gebiet gehört. (...) Der freie und experimentelle Umgang mit Materialien, Techniken, Gattungen und sogar mit der Funktion von Kunstwerken überhaupt in der zeitgenössischen Kunstszene lässt die Vermutung zu, dass auch die Namensaquarellistik einer modernen Wandlung unterworfen sein könnte, und dass hinsichtlich Bildträger, Malmaterialien und Format (inbegriffen auch die räumliche Dimension) ungewohnte Kombinationsmöglichkeiten und Erscheinungsformen und damit spannungsvolle Kunstwerke vorstellbar sind.

Sie geben Anlass zur Frage nach der "neuen" Namensaquarellistik, die ein spannendes Betätigungsfeld innerhalb der ästhetischen Onomastik bietet. Zur Aktualisierung und Integration der ästhetischen Onomastik auch in die Diskurse der aktuellen Kunst halten wir eine Biennale unter eben diesem Titel für notwendig und zeitgemäß und hoffen, dass sich viele Befürworter für den Standort Gropiusstadt einsetzen, der aufgrund der hohen Namensdichte ein im interventionistischen Sinne geeignetes Umfeld darstellt.