Lisa Haselbek/Berlin
Auf der Suche nach dem Schönen in der Gropiusstadt
Einem Gast in der Trabantensiedlung fällt sofort die Stille auf, die hier herrscht. Zwischen den Gebäuden keine Straßen, sondern Grünflächen, ein schier endloses Areal an Hochhäusern unterschiedlichster Größe, dazwischen kleinere Wohnblocks. Das ganze Terrain durchzogen von einem Netz an Wegen und Trampelpfaden. Geschäfte sucht man hier fast vergeblich.
Zwei U-Bahnstationen weiter: Supermarkt und Teleshop, in der anderen Richtung
ein Einkaufszentrum. Kulturelles Leben scheint es hier – außer in
einem Gemeindezentrum – nicht zu geben.
Seit Jahren verweilen Kollegen im Rahmen des Residenzprogramms in der Gropiusstadt,
um kulturelle Impulse zu stiften. Doch welche kulturellen Vorstellungen haben
die Gropiusstädter selbst? Welchen Begriff von Ästhetik und Kunst?
"Schönheit
liegt im Auge des Betrachters" lautet ein Sprichwort. Ich beschloss, mich
auf die Suche zu machen nach dem Schönen in den Augen der Gropiusstädter,
nach Bildern, Wandschmuck, Skulpturen, ausgefallenen Möbelstücken.
Dinge, mit denen Menschen in den eigenen vier Wänden ihre ästhetische
Identität zeigen.
Dazu war ich eine Woche lang unterwegs, sprach Menschen auf den Wegen, im Aufzug,
in Supermärkten oder in den U-Bahnstationen an und bat darum, ihr schönstes
Stück in der Wohnung fotografieren zu dürfen – etwas, das für
sie künstlerischen Wert besitzt.
Doch wer lässt
schon einen Fremden in seine Wohnung, um dort Fotos machen? Zu Hilfe kam mir
die Ankündigung meines Vorhabens im „Neuköllner Abendblatt“.
Mit ihr konnte ich Bewohner davon überzeugen, dass ich kein Scharlatan
bin und mich ernsthaft für ihren ästhetischen Geschmack interessierte.
Trotzdem war die Suche nach dem Schönen mühselig. Doch stand ich erst
einmal mit Kamera und Stativ in den Wohnungen, ergaben sich interessante Gespräche.
Ich war immer wieder überrascht über die verschiedenen Vorstellungen
von dem, was für den jeweiligen Besitzer als schön gilt und erstaunt
über das schöpferische Potential in Form von malenden, heimwerkenden
und handarbeitenden Gropiusstädtern. Ja, ich habe es gefunden, das Schöne
in der Gropiusstadt, nicht nur in den Dingen, sondern besonders in den Begegnungen
mit netten und phantasievollen Menschen, die dort leben.