Eckbert Lösel /Freising

Landschaftsmalen in Gropiusstadt

Die Idee ist denkbar einfach: An der Staffelei stehend die Großstadtkulisse malen. Um mich nicht von Zufälligkeiten abhängig zu machen, lege ich den Schwerpunkt bei diesem Projekt auf den ungewöhnlichen Anblick, den ein Landschaftsmaler in diesen Breiten bieten muss. Ich will einen Ort finden, an dem ich selbst das Objekt der Betrachtung bin, als Living Sculpture, gut sichtbar, öffentlich und jeden Tag zur selben Zeit am gleichen Ort, egal bei welchem Wetter, ein Ruhepol, der vielleicht durch seine dauernde Präsenz einen kleinen Eindruck bei den Berlinern hinterlässt. Da das Wetter wechseln kann, und ich vielleicht verschiedene Bilder anfangen muss, darf das Bild selbst nicht so wichtig sein. Meine Ausrüstung ist allwetterfest und erprobt. Soweit der Plan.


Alsdann...
Die Sonne brennt im Nacken, mein rechter Arm ist rot, um den Kopf habe ich mir ein Küchentuch gebunden, um keinen Sonnenstich zu bekommen. Ein Mann bringt mir eine Flasche Wasser, ein türkischer Maler lädt mich für den Abend zu sich ins Hochhaus ein. Die meisten kennen mich schon, viele kommen jeden Tag, um zu schauen, welche Fortschritte ich mache, und erzählen kleine Geschichten. Von Anfang an waren die Kinder da, die das Bild sehr schön finden, obwohl noch nicht allzu viel zu sehen ist.

Jeden Tag stehe ich hier von Mittwoch bis Montag. Es geht sehr langsam voran. Das Motiv ist äußerst unspektakulär: eine Hochhausfassade mit einigen zerrupften Bäumen und einer Hecke. Ich finde es genau richtig, weil man sich ernsthaft fragen muss, warum das einer abmalt. Gleichzeitig stehe ich ganz idyllisch mitten in einem gut besuchten Park auf der grünen Wiese gegenüber der U-Bahnstation. Schräg hinter mir steht ein Pavillon, der „Club“. Hier spielen die Kinder den ganzen Nachmittag Modenschau oder breakdancen oder rappen, meist eine kleine Mädchentruppe. Alle kennen sich, und alle sind jeden Tag da. Und alle wohnen in dem Hochhaus dahinten. Seltsamerweise ist die häufigste Frage, die sie stellen, ob ich Künstler bin. Meistens reden sie aber gar nicht mit mir, sondern über mich, und ich merke schnell, dass ich ihnen am meisten gebe, wenn ich einfach weiter arbeite und in meiner Rolle als Maler bleibe. Manche stehen zehn Minuten hinter mir und schauen nur zu. Dann wieder wird wild gespielt, als wäre ich nicht da. Sonntag wird im Club auch gezeichnet. Ein Junge porträtiert seine Schwester. Er schreit sie die ganze Zeit an, weil sie falsch steht oder sitzt. Als ich um drei Pause mache, legt auch er seinen Stift zur Seite. Es ist ein magischer Ort, und ich bin ein Teil von hier, weil ich eine Aufgabe habe und weil ich auch in dem Hochhaus dahinten wohne. Zumindest für eine Woche.