Grit Ruhland mit ellfriede/Dresden,Wien

Dann Leere. Immer output. Es geht an die Reserven. Ich bin müde und brauche dringend eine Pause. Zeit zum Nachdenken. Immer ist irgendwas. Super, dass es hier kein Internet gibt. Ich will mir jetzt wirklich nichts aus den Fingern saugen. Ich will diesmal nicht meinen Senf dazugeben. Ich will mal die Klappe halten.

Auf dem Weg zum Feld, auf der Wiese vor den Hochhäusern, die wie von Schwalben bewohnte Kalkfelsen aussehen, treffen wir einen Igel – ohne Augen. Wir lassen ihn in Ruhe und gehen weiter, zum Feld. Ich mache Tonaufnahmen vom Zirpen der Grillen und dem Rauschen des Windes in den Bäumen: Die letzten Minuten der blauen Stunde, Dämmerung nah an Nacht. Ein paar Schritte weiter informiert eine Stele darüber, dass hier die Berliner Mauer stand. Wir gehen weiter und entdecken kleine Büsche, Birken, Weiden, Sanddorn, Brombeeren, Kräuter und jede Menge Beifuß. Die Blätter: nur noch Silhouetten vor dem nachtblauen Himmel. Ich liebe diese Schattenrisse. Wir tappen im Dunkeln in etliche Pfützen. Es riecht nach Pferd. Überhaupt riecht es nach Land. Die Dunkelheit gefällt mir nicht ganz. Wachsam spähe ich ins Gebüsch. Es sind noch etliche Menschen unterwegs, hauptsächlich Jogger und Leute mit ihren Hunden. An der Stelle, wo eine kleine Bank an eine dreiarmige Birke gezimmert ist, setzen wir uns und schauen über das Feld zu den Hochhäusern, deren Fenster erleuchtet sind, und zu den rotglühenden Signalanlagen am Ende des Hügels. Es beginnt zu nieseln. Wir gehen weiter. elffriede will einen Baum umarmen und greift aus Versehen in eine Raupe mit dichten schwarzen Haaren. Bald kommen wir an eine Straße und lesen, dass wir hier auf dem Grenzweg sind. Von Mücken gepiesackt machen wir kehrt. Wir stellen fest, dass diese Vorortlandschaft wirklich schön ist: „Wie an der Ostsee“, ausgerechnet an der ehemaligen Grenze. Ich mutmaße, dass es vielleicht das Geheimnis des Ortes ist, einfach mal nichts zu machen, die Dinge sich selbst zu überlassen.

(Auszug aus „Eine Woche Berlin-Gropiusstadt“, 35 Seiten-Tagebuch von Grit Ruhland, www.eintagsfliegenakrobatik.de)