Constanze Ludwig / Berlin
Bei meiner Ankunft suche ich nach dem Gropius-Haus, das für die nächsten zwei Wochen mein Quartier sein soll. Alles wirkt so riesig und unüberschaubar, ich fühle mich als nicht „Ortsansässige“ doch recht hilflos und ohnmächtig. Ich spreche Leute auf der Straße an, um mich nach dem Weg zu erkundigen. Alle sind sehr freundlich und hilfsbereit, doch obwohl alle Angesprochenen dort wohnen, konnte mir erst die vierte Passantin genau sagen, wie ich zum Haus Nr. 49 gelange.
Ich möchte wissen: Wie fühlen sich Menschen, die in eng bebauten Wohnsiedlungen leben?
Ich vermute: Alleine inmitten vieler Menschen, irgendwie isoliert, fremd; oder bietet die Anonymität dieser als seelenlos bezeichneten „Betonwüsten“ Schutz vor zu viel Nähe oder Störung?
Und: Wie kann ich das Lebensgefühl darstellen?
Am nächsten Tag spreche ich Menschen an, die ich auf dem Gang, im Fahrstuhl, auf der Straße treffe, stelle mich vor, frage, ob sie das Leben in der Gropiusstadt bzw. in ihrem Wohnhaus als anonym empfinden und inwieweit sich das im Laufe der Zeit verändert hat. Oder ob sie mit ihrem Wohnumfeld zufrieden sind und gerne hier leben. Die meisten sind erst mal überrascht, nach kurzem Zögern aber gerne bereit, mit mir zu sprechen. Zwei Mieter laden mich sogar zum Essen ein.
Ein Herr der ersten Mietergeneration erzählt, dass man sich in den ersten Jahren als Gemeinschaft empfand, zusammen Feste feierte, auf die Nachbarskinder aufpasste und sich mit Kleinigkeiten aushalf. Im Laufe der Zeit, mit dem Ausscheiden dort alt gewordener Mieter und dem Zuzug einer jüngeren Generation änderte sich das Klima. Viele der jetzt dort Wohnenden sind eingespannt in ihr Berufs- und Familienleben, so dass wenig Zeit und Interesse für die Nachbarn bleibt; manche andere „verkriechen“ sich, fühlen sich ausgegrenzt und schotten sich ab.
Was mir erzählt wird, schreibe ich auf. Gleichzeitig suche und fotografiere ich Orte, an denen die Anonymität aufgebrochen scheint, kleine, persönliche Inseln, von den Bewohnern hinterlassene Spuren, in denen sich vielleicht die Vorstellung von Großstadtglück ausdrückt.