Gert Bendel / Berlin

/ 2008

Mir war klar, dass ich in der Stadt bin, in der ich wohne. Gleichzeitig aber habe ich terra incognita betreten, hätte aber ganz schnell mit der U-Bahn nach Hause fahren können. Eine künstliche Isolation. Dort stand mir der Sinn nicht nach Kunstaktionen, vielleicht eher danach zu verstehen, wo ich wirklich bin.

Man findet ein funktionierendes Leben vor, das einem absolut nicht vertraut ist. Da kann es unpassend sein, mit vorgefertigten Idee einzufallen.

Ich wollte unsichtbar sein, Mitglied der Gemeinschaft werden, um mich völlig unauffällig bewegen und beobachten zu können.

Unauffälliger Bürger von Gropiusstadt zu werden ist keine einfache Übung.

Erstmal habe ich Bücherei, Polenmarkt und Gropius-Passagen mit Mediamarkt und China-Pfanne zum Mittagessen ausprobiert. Ich war jeden Tag bei Edeka und habe versucht, einen regelmäßigen Alltag zu leben.

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Das einzige Bild, das ich im Kopf hatte, waren die abschreckenden Schilderungen von Christiane F. Vorgefunden habe ich ein gemächliches Leben mit vielen älteren Leuten, die in der Sonne ihrer Wege gingen.

An dem Tag, als ich dich besucht habe, schien mir Gropiusstadt auch fast idyllisch. Erinnerst du dich an unseren Einkauf bei Edeka, wo das Gemüse noch von einer Verkäuferin abgewogen wird ...

... und vor der Tür immer dieselben Männer rumlungern; absolut berechenbar.

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Es ist sehr grün. Die Stadtgrenze, obwohl so nah, wird fast nur von Joggern und Hunden überschritten. Man spürt bereits das Land, doch die Großstadt bäumt sich noch ein letztes Mal auf. Dahinter etabliert sich kleinbürgerliches pseudo-individualistisches Leben in Musterhäusern. Die zwei Welten sind sich sehr nah gekommen.

Dann hat sich für dich doch was ereignet.


Mich interessiert, selbst in einer Situation aufzugehen, um dann eine Gratwanderung zwischen Erlebtem und mitgebrachten Erlebnissen anzusteuern; ein Balanceakt, der in meiner Arbeit wichtig ist. So sehr ich mich anstrenge, komm ich doch immer woanders her; aber einiges ist mir oft ganz bekannt.*

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* Dialog zwischen Gert Bendel und Dörte Meyer