Wolfgang Aichner /München

Schon am ersten Abend beginne ich mit Aufnahmen auf dem Balkon. Gnadenlos zoome ich in Fenster des gegenüberliegenden Gebäudes. Es ist fantastisch, wie nah man mit einem digital/analogen Standardzoom in die 100 Meter entfernte Intimsphäre eines ahnungslosen Nachbarn eindringen kann.


Mich hat das bisher nicht interessiert, meine Augen wendeten sich automatisch ab, wenn ich bemerkte, dass ich in jemandens Intimsphäre eindringe – um so faszinierender, diese moralisch fragwürdige Handlung des ’Voyeurs’ als Ausgangspunkt zu nehmen, um darauf aufbauend eine künstlerische Position zu finden...

Eine Woche lang liege ich fast jeden Tag auf dem Balkon ab Einbruch der Dunkelheit bis ca. 24 Uhr auf der Lauer. Freunde besuchen mich zum Abendessen in der Wohnung, denn ich muss ja filmen. Das Thema ’Observation’ wird diskutiert mit seinen verwandten Themen: Überwachung, Sicherheitswahn, Intimsphäre, Öffentlichkeit, öffentlicher Raum, persönliche Integrität, Individualismus, Überinformation...

Vielleicht bin ich ja selbst die Intervention mit meiner Kamera. Vielleicht haben mich einige Nachbarn gesehen und vermuten, dass ich auch sie filme.
Einmal stürzte ein Nachbar von gegenüber resolut auf seinen Balkon, stemmte durchgestreckt seine Arme auf die Brüstung und sah zu mir herüber. Trotz ausgeschalteten Raumlichtes war ich nie sicher, ob man mich sehen konnte. Ein winziges rotes Lämpchen leuchtet an der Kamera wenn man filmt.
Meine instinktive Reaktion war, die Kamera weiterlaufen zu lassen und mich unter die Balkonbrüstung zu ducken um mich zu verstecken.

Auszüge aus Arbeitsaufzeichnungen vom 19. Juli 2004

zur Arbeit "nichtöffentlich" 2005